Julia Hoentzsch "Thin Layers. Sometimes it all went through him" (SEVEN SWANS perspectives)



SEVEN SWANS perspectives
Julia Hoentzsch "Thin Layers. Sometimes it all went through him"

Vernissage: 11. April, 19 - 22 Uhr

Ausstellungsdauer: 11. April - 20. April 2013

SEVEN SWANS
Mainkai 4
60311 Frankfurt am Main

Öffnungszeiten:
Do - Sa 19 - 22 Uhr
Mo - Mi auf Anfrage


„Nymphen: Schön drapierte Erscheinungen, die wer weiß woher kamen, im Winde tänzelnd, immer anrührend, nicht immer ganz artig, fast immer erotisch, manchmal verstörend." (Georges Didi-Huberman, „Ninfa Moderna")

Wir freuen uns sehr, mit der Züricher Künstlerin Julia Hoentzsch die dritte Ausstellung der Reihe SEVEN SWANS perspectives zu eröffnen! Julia Hoentzschs Arbeit ist eine kontinuierliche Reflexion der grundlegenden Bedingungen des Fotografischen. Für diesen ungewöhnlichen Ansatz, der das Medium Fotografie auf seine konkrete Materialität und seine philosophische Bedeutung hin befragt, ist die mythische Figur der Nymphe Ausgangspunkt und Sinnbild.
Die Nymphe begegnet uns in der Bildwelt der Renaissance als eine bewegte weibliche Gestalt – eine phantomhafte Erscheinung, die einer Zwischen-Sphäre des An-/Abwesenden angehört. Ein metaphysischer Wind, der sich nicht aus der Logik des Bildkontinuums erklären lässt, durchweht ihr Gewand. Für Hoentzsch ist die Nymphe das mythische Vor-Bild der Fotografie. Fotografie – eine automatische Lichtzeichnung, eingebrannt in lichtempfindliches Papier – hält eine flüchtige Präsenz fest. Julia Hoentzschs Auseinandersetzung mit dem Paradigma der Fotografie liegt jenseits der etablierten Fotografie-Diskurse über Bilderfluten oder Problematiken des Dokumentarischen. Unendlich weit entfernt vom inflationären digitalen Bildrauschen umhüllt eine eigentümliche Stille ihre Kunst.
Fotografie, das war für die Gründerväter des Mediums zunächst einmal Papier, eine Mischung chemischer Substanzen, die das Papier entwicklungsfähig machten – und dann Licht und Schatten, die auf das Papier einwirkten. Die reliefartigen, Weiß in Weiß gearbeiteten Seidenpapier-Reliefs der Künstlerin spielen mit diesen Grundelementen des Fotografischen. Sie werden von der Künstlerin Schicht um Schicht aus nassem Seidenpapier mit dem Pinsel gelegt bis das Papier schließlich aus dem Zustand der Nässe, Offenheit und Formbarkeit zu Trocknung, Erstarrung gebracht wird. Die filigranen Papierreliefs übertragen die fotografische Logik der Licht-Schatten-Zeichnung auf ein plastisches Medium: Das Bild entwickelt sich allein aus den Faltungen, Schichtungen und Schattenverläufen des Materials heraus. Ob die Silhouetten nun eingebrannt und fixiert sind (wie in Hoentzschs analogen Schwarzweiß-Fotografien), oder ob sie sich je nach Lichteinfall zu sehen geben, verändern und wieder verlieren (wie in ihren Seidenpapier-Reliefs) – für die Künstlerin handelt es sich um dasselbe Grundprinzip. Eine weitere Variante dieses Spiels mit Licht/Schatten, Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit, An-/Abwesenheit besteht in der Schwärzung oder Durchleuchtung des Bildkörpers: Mal durchtränkt die Künstlerin das Papier ebenmäßig mit schwarzem Aquarellpigment, sodass sich Graustufungen durch die unterschiedliche Dicke des geschichteten Materials herausbilden; mal durchleuchtet sie ihre Blätter – so beispielsweise bei der Fotografie „Schwanenfeder", die Julia Hoentzsch anlässlich unserer Ausstellung als käufliche Edition entwickelt hat. Auf diese Weisen operiert die Künstlerin mit der Durchlässigkeit des zugleich opaken und transparenten Papiers, das – wie der belichtete Fotofilm im noch unentwickelten Zustand – ein verborgenes, latentes Bild in sich trägt.

Der Blick, den Julia Hoentzsch auf ihre Motive richtet, ist stillebenhaft. Neben den arabesken Faltenwürfen der Papierreliefs, haben auch ihre intimen Fotografien des ruhenden menschlichen Körpers den Charakter von Oberflächenstudien. In dieser Beschäftigung mit Haut und Stoff artikuliert sich ein Interesse an der Dialektik von Hülle und Verhülltem. Mag der Schlafende auch in aller Verletzlichkeit der Betrachtung preisgegeben sein, so bleibt sein Traum doch unseren Blicken entzogen. Die Hülle dagegen – seien es Herrenhemden oder die überschwänglich aufgewühlten Gewänder der Renaissance-Nymphen, die Hoentzsch in einigen Papierarbeiten als Vorlagen dienten – nimmt Bedeutung an nicht nur als Abdruck des Körpers, sondern vielmehr als Ausdruck und Echoraum von innerlicher Bewegtheit: Einer nymphischen Bewegtheit, „flüchtig wie der Wind, aber bleich und zäh wie ein Fossil" (Georges Didi-Huberman, „Ninfa Moderna").

Julia Hoentzsch (*1979 in Ostrach) studierte Medienkunst an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe (Klasse Elger Esser) und angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Jüngste Gruppenausstellungen: „Illusion & ..." (Upstairs Gallery, Oldenburg 2012), "It was she who could see two of them. It was he who was looking for one" (Dilpomausstellung HfG Karlsruhe, 2010), „Raymond Carver Projekt" (HfG Karlsruhe, 2009), „Last Order" (Galerie Mayerei, Karlsruhe 2008). Die Künstlerin lebt und arbeitet in Zürich.