Andreas Diefenbach / Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich / 03.09. – 06.11.2010
„Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich" - Was wie ein spöttischer Kommentar und zugleich wie die Absage an eine im Vagen liegende Begebenheit klingt, ist durchaus wörtlich zu verstehen und beschreibt angelehnt an das gleichnamige Buch David Foster Wallaces konzentriert die künstlerische Haltung Andreas Diefenbachs. Analog zu Wallace, der als Stilmittel intensiv Fußnoten einsetzte, um das tägliche verbale Dauerfeuer aus Information und Soundbites zu erfassen, zitiert Diefenbach fragmentarisch verschiedene Malereistile.
Der Titel der Ausstellung klingt wie die Lossagung von etwas Bisherigem und formuliert ein neues Selbstverständnis des Künstlers. Diefenbach erteilt einer als schrecklich amüsant empfundenen Welt eine Absage: „In Zukunft ohne mich." Diese Absage ist seine Ansage und somit programmatisch. Und wer Diefenbachs Werdegang verfolgt hat, erkennt dies als künstlerischen Reifungsprozess.
Die Ausstellung, die aus einem großen Wandbild, Collagen und bemalt/bedruckten Leinwänden sowie übermenschlich großen Säulen besteht, bildet ein komplexes Ensemble, das eine Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung erfordert, wenn man verstehen möchte, um was es Diefenbach geht. Weg von Kontemplation reflektiert die Gesamtheit der Werke unsere Wahrnehmung als solche und erreicht schließlich eine höhere Ebene, von wo aus neue Aussagen getroffen werden können.
Medienbilder dienen in diesem Prozess Diefenbach stets als Kern seiner Kompositionen. Das Spannungsfeld um diesen Kern entlädt sich bei ihm im experimentierfreudigen und hochangeregten Spiel, wodurch neue Räume erschlossen werden. Im Produktionsprozess strebt Diefenbach von der grobstofflichen Materie des Themas (Aura des Motivs) in eine feinstoffliche und differenzierte Ebene des Interplays. Der alte konnotative Rahmen wird gelockert, Grenzen überschritten und das Motiv letztlich in besagte neue Bedeutungsebenen transferiert. Dabei ist das bewusste Herstellen unterschiedlicher malerischer Bezüge, die vom abstrakten Expressionismus über den Nouveau Realism bis hin zum kapitalistischen Realismus reichen, zentral. Diefenbach pflegt dabei einen virtuosen und selbstkritischen Zugang zum Bildtableau. Als konzeptueller Maler erhalten seine Bilder etwas seriell, kalt Technisches, sind aber auch beseelt und strahlen eine ehrliche Wärme aus.
Die Säulen in der Ausstellung erzeugen nun sowohl architektonische Bezüge als auch Verbindungen zwischen den Bildern und erweitern den Galerieraum nach Innen in ein neues Bezugs - und Bedeutungssystem. Sie ziehen Linien und ergänzen imaginär die vorhandenen Wände mit den daran enthaltenen Bildern. Die Säulen könnten uns halten, sind aber keine wirklich standhaltenden Pfähle. Sie dienen als Symbole, sind ihrer Funktionen entledigt. Sie stehen für Freiheit, sie deuten auf eine Utopie.
Bei der Formulierung dieser Utopie nimmt nun das große flimmernde Wandbild mit dem von Karl Marx entlehnten Zitat als Titel - „ Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf." - so etwas wie eine kritische Hauptrolle innerhalb aller Werke dieser Ausstellung ein: Anhand der optischen Täuschungselemente kommentiert Diefenbach die Conditio Humana. Das flimmern scheint uns zu sagen: Lasst euch nicht täuschen! Aber vertraut euren Sinnen. Ist das der Aufruf des engagierten Künstlers, der – niemals Formalist – den Stürmen der Welt standhält?
Diefenbach geht in seiner Arbeitsweise vom Menschen in der Gesellschaft aus. Dies ist ebenso in seinen Collagen zu erkennen, wird aber auch deutlich, wenn er als DJ mit eigener Radiosendung arbeitet: Höre die Musik von Edgar Varese und du wirst meine Bilder und was ich will verstehen, sagt Andi zu mir. Die einzelnen Teilchen werden durch Energien von ihrer Bindung befreit. Die Reste der Körper sind Reste einer nach der Entladung erfolgten Müdigkeit. Das Amüsement hat dazu geführt. Doch vorher zappelten die Gestalten noch, bevor es zum weißen Rauschen kam. Man denke an Raymond Hains Plakatabrisse. Was bedeutet dir dieser Hautbezug? Haut ist Anzeiger für die Psyche. Sind deine Bilder so etwas wie das Barometer für gesellschaftliche Zustände? Deine Bilder überzieht eine Haut aus Lack, Mumifizierung der Zeit um 2010? Wie ist es also möglich, eine bleibende Aussage über eine bestimmte Zeit zu treffen? Diefenbachs Bilder können als Quintessenz dieser Fragen betrachtet werden. Sie sind abgekocht und geliertes Destillat. Und unter ihrer Pelle verbirgt sich eine zeitlose Schönheit, die sich bei jedem Betrachten erneut aktualisiert: Singin through you to me; thunderbolts caught easily; Shouts the truth peacefully Eeeeeee-lec-tri-ci-teeeeeee (Captain Beefheart & his Magic Band „Electricty")
Patrick Alt, August 2010
Venloer Str. 26, 50672 Köln